CHGEOL
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6. Schweizerischer
Geologentag
und GEOL_BIM

23./24. März
2022
Trafo Baden

Topographia Helvetiae Rhaetiae et Valesiae 1642

Exkursion mit Hans Burger

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20.02.2022

 

«Die Quelle unter dem Grossen Heissen Stein ist die ergiebigste des ganzen Bäderquartiers.»

Interview: Franz Schenker

Franz Schenker: Baden verdankt die Stadt-Gründung und seine grosse kulturelle und auch politische Bedeutung letztlich der Kombination verschiedener geologischer Phänomene. Siehst Du dies auch so?

Dr. Hans Burger: Das Bäderquartier von Baden und Ennetbaden (also beidseitig der Limmat) ist von den Römern zu einem bedeutenden Badezentrum ausgebaut worden und war gleichsam eine Wellness-Dépendance der nahegelegenen Legionärs-Stadt Vindonissa. Ihr Gedeihen beruhte auf der Hydrogeologie, den vielen frei auslaufenden Thermalquellen. Die erst im Mittelalter gebaute Stadt Baden liegt 1 km weiter südlich in der Limmat-Klus zwischen der Lägern und dem Martinsberg. An dieser strategischen Engstelle kamen die Strassen, teilweise als Wasserstrassen, von Brugg – Bözberg – Basel, von Mellingen – Lenzburg – Zofingen – Bern, von Bremgarten – Luzern – Uri, von Zürich – Rapperswil – Walensee – Graubünden und von Zurzach – Schwarzwald zusammen. Die Lage der Stadt Baden war dadurch geologisch vorbestimmt, an der schmalen Engstelle des Limmatdurchbruchs durch den Faltenjura.

Die Bedeutung von Baden als Kurort zeigt im zeitlichen Verlauf grosse Amplituden. Nun scheint es, dass die Besucherzahl wieder ansteigen wird. Wellness ist Trend, heilende Wässer ebenso, und mit einer neuen Überbauung im Bäderquartier gibt es neue Gelegenheiten. Wie zuversichtlich bist Du?

Die Trendwende ist mit dem Neubau des grossen Thermalbades von Architekt Mario Botta und der Renovierung von einem halben Dutzend alter Bäderhotels geschafft. Voraussetzung dafür war aber die vorgängige Verkehrsberuhigung des Bäderquartiers, welche 2006 durch eine Verlegung der Hauptstrasse entlang der Limmat in einen Tunnel erreicht wurde. Dieser verläuft übrigens grossmehrheitlich durch Opalinus-Ton und (Gips-)Keuper, was erhebliche baugeologische Herausforderungen mit sich brachte; zudem durfte natürlich auch der freie Thermalwasserausfluss durch diesen Tunnel nicht gefährdet werden.

Der Niedergang der Bäderkultur in Baden und Ennetbaden begann mit dem 1. Weltkrieg, welcher das Wegbleiben der meisten Kurgäste zur Folge hatte. Die nachfolgende zaghafte Erholung wurde unterbrochen durch die Wirtschaftskrise 1930-1938 und den 2. Weltkrieg. Dies hatte zur Folge, dass während Jahrzehnten kaum in die Bäderbauten investiert wurde. Der laufend zunehmende Autoverkehr durchs Bäderquartier ab den 60-er Jahren, führte zur Umnutzung von Bäderhotels für Büro- und Wohnzwecke, was die Bäderkultur weiter abwürgte. Mit den Grossinvestitionen der letzten 20 Jahre in das neue Bad, die Bäderhotels und Wellnessanlagen, die Plätze und die Verkehrsanlagen von insgesamt rund 400 Millionen Franken, sind nun die Voraussetzungen erfüllt, dass ein lebendiges und attraktives Bäderquartier entsteht.

Ein spezielles Highlight bilden dabei die «Heissen Brunnen», welche seit November 2021 auf beiden Seiten der Limmat zum Baden einladen. Es sind Freibäder (sie stehen im Freien und sind wirklich gratis) und werden von Thermalwasser gespeist.

Beim Neubau der Bäder gab es neue geologische wie archäologische Erkenntnisse. Kannst Du uns hier, aber vor Allem während der Exkursion, informieren?

Kurz gesagt stiess man in den letzten zwölf Jahren, wie auch schon bei früheren Bauarbeiten, auf ausgedehnte römische Bauruinen und Fundamente. Diese wurden situativ entweder geborgen und teilweise neu aufgestellt, oder sie wurden nach der Freilegung dokumentiert und dann für eine Besichtigung hergerichtet bzw. für den langfristigen Erhalt wieder zugeschüttet.

Die baugeologische Herausforderung lag darin, die abdichtenden Keuperschichten (primär Gips und Anhydrit sowie Bunte Mergel) zu bewahren, welche die thermalwasserführenden Muschelkalkschichten gegen oben abdichten. Also keine Entfernung oder tiefgründige Perforation dieser Schichten, was entsprechend aufwändige Vorsondierungen erforderte.

Seit ein paar Jahren steigt der Nutzungsdruck auf die Tiefengrundwässer stark an, sei dies zur Energiegewinnung, zur Thermalwassernutzung oder für die CO2-Sequestrierung. Welches sind für Dich dabei die Chancen, welches die Risiken?

Zu den drei erwähnten Nutzungen von Tiefengrundwasser kommen noch die Nutzung als (Trink-) Mineralwasser sowie künftig als Brauchwasser für die Landwirtschaft hinzu. Die Nutzung der Mineralwässer nimmt laufend zu, weil viele das Lockergesteins-Grundwasser nicht mehr trinken wollen, da es zunehmend stärker mit Spurenverunreinigungen kontaminiert ist (Pestizide, Antibiotika, Medikamentenrückstände, Nitrat, Schwermetalle, diverse chemische Rückstände). Die Landwirtschaft wird mit der zunehmenden Klimaerwärmung alternative Bewässerungsmöglichkeiten suchen müssen, da während mehrmonatiger Trockenperioden sowohl Fliessgewässer austrocknen als auch die Wasserspiegel in den stark genutzten Kiesgrundwasserkörpern massiv absinken werden.

Und je mehr Gletscher abschmelzen, umso weniger Oberflächenwasser kommt im Sommer und Herbst im Unterland an. Unsere Tiefengrundwässer bieten da willkommene zusätzliche Ressourcen, da sie in der Schweiz in den obersten 1,5 bis 2 Kilometern mehrheitlich nicht versalzen sind, sondern Trinkwasserqualität bieten (vgl. meinen Artikel zu Nutzung und Schutz von Tiefengrundwasser).

Leider steckt die entsprechende Gesetzgebung dazu sowie zur Regelung von Nutzungskonflikten in der Schweiz noch in den Kinderschuhen, was auf potenzielle Investoren abschreckend wirkt.

Chancen und Risiken einer Nutzung von Tiefengrundwasser können, wie dies generell auch für Bauten im tiefen Untergrund gilt, nur akzeptabel eingeschätzt und beurteilt werden, wenn dazu minimale Grundlagendaten bekannt sind. Dies würde jedoch entsprechende hydrogeologische Untersuchungen erfordern.

Du hast angeregt, nach der Exkursion einen Apéro auf dem heissen Stein zu nehmen. Heisse Steine: Gefällt mir sehr. Wie kommt jener von Baden zu seinem Namen?

Ursprünglich gab es auf dem grossen Kurplatz, wo früher offene Thermalbecken standen, zwei «Heisse Steine», einen grossen und einen kleinen. Sie dienten der Abdeckung von zwei Thermalquellen und waren überständig, d. h. sie überragten das Platzniveau. Dadurch konnten sie als Sitzbänke dienen, und weil direkt darunter das 47°C heisse Thermalwasser floss, wurden sie von unten stark erwärmt.

Mit der Aufhebung der Freibäder und der Platzeinebnung von 1844 wurde der Grosse Heisse Stein tiefer gelegt (abgemeisselt) und der Kleine wurde ganz entfernt. Es handelt sich um Findlingsgestein der letzten Eiszeit, sie kommen aus dem untersten Reusstal, der Gegend von Mellingen. Ihr Ursprung liegt allerdings im Urner Reusstal, denn es handelt sich um «Erstfelder Gneis», d.h. er kann geologisch dem Erstfeld-Gneiskomplex (ein Element der Erstfeld-Zone) zugeordnet werden: ein heller Biotit-Plagioklasgneis, gebänderte bis massige Struktur mit Leukosom-Lagen. Dieser Gneis wird überwiegend als (z.T. migmatitischer) Paragneis interpretiert, welcher auch Marmor-, Quarzit-, Kalksilikatfels- und Amphibolit- Elemente führen kann; er gehört zum polymetamorphen, prävariszischen Altkristallin [kaledonische Metamorphose aus dem späten Ordovizium/frühen Silur in Amphibolitfazies]. Grosstektonisch gehört dieser Bereich zum nördlichen Aarmassiv, welches stellenweise alpinmetamorph retrograd überprägt ist.

Dieser harte, metamorphe Kristallinblock wurde im November 2021 wieder als Sitzbank gestaltet (aufwändig unterfüttert mit einer zweiten Kristallinplatte). Die Quelle unter dem Grossen Heissen Stein ist die ergiebigste des ganzen Bäderquartiers.

 

Andrea Schaer

Foto: Andrea Schaer, zvg